Um seine Ausführungen zu verstehen muss man dies wissen: Brague unterscheidet zwischen dem Islam, der die Religion ist (in Bragues französischen Texten der Islam mit grossem I), und dem Islam, der den Kulturraum bezeichnet, in welchem der Islam herrschte (in Bragues französischen Texten der islam mit kleinem i). Im Machtbereich des Islam waren die Übersetzer Christen. Die Muslime sahen keinen Grund andere Sprachen zu lernen. In Europa griff man nur auf arabische Texte zurück, falls man gerade das griechische Original nicht zur Hand hatte.
Rémi Brague: Im neunten Jahrhundert wurden in Bagdad und anderen Gegenden viele griechische Werke zu Mathematik, Medizin, Philosophie, Astronomie und Astrologie ins Arabische übersetzt. Als der Westen Ende des elften Jahrhunderts anfing, sich für diese Dinge zu interessieren, war es in den von den Arabern eroberten Gebieten, in Spanien oder Sizilien, praktisch, die Werke aus dem Arabischen zu übersetzen, wenn man das griechische Manuskript nicht fand. [..] Spricht man vom Beitrag des Islam zur Entwicklung der abendländischen Kultur, wie es derzeit geschieht, muss man außerdem klarmachen, was man meint. Meint man die vom Islam geprägte Zivilisation, stimmt es. Meint man den Islam als Religionsgemeinschaft, war der Beitrag gleich null.In seinen Büchern geht Brague auch darauf ein, dass im Machtbereich des Islams die Philosophie eine Privatangelegenheit war, völlig getrennt von der Sphäre der Islamgelehrten, und von letzteren auch mit Misstrauen und Ablehnung betrachtet. In Europa hingegen war (und ist) Philosophie Voraussetzung für das Studium der Theologie.
Inwiefern?
Brague: Kein einziger arabischer Übersetzer des neunten Jahrhunderts war Muslim. Es waren alles Christen, bis auf ein oder zwei, die der Gemeinschaft der Sabier angehörten.(Quelle)