Freitag, 1. Januar 2010

Gewissen

Die einzige Quelle des Wissens, ob etwas gut oder schlecht ist, ist im Islam das Gesetz Allahs, wie al-Ghazali in seinen Schriften ausführt (1).

Es ist also nicht am Menschen zu entscheiden, was gut ist und was schlecht, auch nicht an seinem Gewissen. Der Mensch hat sich an das zu halten, was das göttliche Gesetz verlangt, und was ihm von den Islamgelehrten, die das Gesetz interpretieren, gesagt wird.

Das islamische Gesetz steht über dem Gewissen. Es steht dem Menschen nicht zu, über das islamsche Gesetz nachzudenken und sich ein Urteil zu bilden. Das islamische Gesetz steht über aller Kritik. Es steht dem Menschen nicht zu, die Auspeitschung eines vergewaltigten Mädchens zu beurteilen (es hatte ausserehelichen Sex, Punkt), es steht dem Menschen nicht zu, die Pfählung eines Homosexuellen zu beurteilen, es steht dem Menschen nicht zu, das Aufhängen eines Apostaten zu beurteilen, es steht dem Menschen nicht zu, das Streben auf dem Wege Allahs zu beurteilen.

Das ist islamisches Gesetz, und nur das islamische Gesetz kann sagen, was gut ist und was schlecht, was zu tun ist und was zu unterlassen.

Wer auf sein Gewissen hört und etwas anderes sagt, der lehnt das Gesetz Allahs ab. Er muss mit entsprechenden Strafen rechnen (2).

Das islamische Gesetz regelt alles abschliessend. Das Gewissen hat im Islam keine Bedeutung.


(Was die Islamgelehrten befähigt, die Gesetze Allahs für die anderen zu interpretieren, weiss keiner, aber das ist auch eine Frage, die das islamische Gesetz in Frage stellt, und darum ist sie verboten. )

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(1) La loi de Dieu, Rémi Brague, Gallimard folio essay 504 (2008), p 309
(2) daher auch die absurd tönende Aussage von Islamvertretern "Habt ihr denn nichts gelernt aus dem Karikaturenstreit?"

siehe auch
Rechtsstaat, Vernunft, Gewissen und Verantwortung 
Erwischen lassen 
Regeln, sonst nichts 
Lügengrenze
Unbekannte Begriffe

Comments (14)

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Jizzlobber · 794 weeks ago

Was ist das Gewissen? Authorität über Gut und Böse? Wohl kaum.
Wenn man genau hinsieht, kann man erkennen:

Das Gewissen ist
1. in erster Linie ein angeborenes Gefühl (Instinkt), mit dessen Hilfe wir wahrnehmen, wie wir uns verhalten müssen, damit wir unsere Zugehörigkeit zu einer uns wichtigen Gruppe sichern. (Gutes Gewissen = ich darf dazugehören, schlechtes Gewissen = ich muss fürchten, ausgeschlossen zu werden.) Das Gewissen hat also in dieser Betrachtung überhaupt nichts mit Gut und Böse zu tun. (Beispiel: "Neonazi" verliebt sich in eine Jüdin und hat deswegen ein schlechtes Gewissen) Zusätzlich hat jeder viele unterschiedliche Gewissen, weil die Normen von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich oder sogar widersprüchlich sind (Clique, Familie, Glaubensgemeinschaft, Nation,...).
Dies ist die Bindungsebene.

2. das Wissen um das, was ich einem anderen schulde, wenn ich von ihm etwas bekommen habe, und es von mir noch nicht durch eigenes Geben ausgeglichen wurde, oder wenn ich anderen etwas angetan oder weggenommen habe und zum Ausgleich nicht in ähnlicher Weise leide oder etwas verliere. (Ausgleichsebene)

3. das Wissen um das, was ich einer Gruppe schulde, damit sie als solche bestehen und handeln kann. (Ordnungsebene)

Wenn das Gewissen der Bindung dient, fühlen wir die Schuld als Ausschluß und als Ferne, die Unschuld als Geborgenheit und Nähe. Wenn sie dem Ausgleich dient, fühlen wir die Schuld als Pflicht, die Unschuld als Freiheit oder Anspruch. Wenn sie der Ordnung dient, fühlen wir die Schuld als Übertretung und als Furcht vor Strafe, und die Unschuld als Gewissenhaftigkeit und Treue.
Wichtig jetzt:
Das Gewissen dient allen 3 Ebenen, auch wenn sich die Ziele entgegenstehen ("Gewissensbiss").

Deshalb haben Leute, die sagen, der oder die ("Terroristen", usw..) seien gewissenlos, eben nicht verstanden haben, wie Gewissen wirkt. Denn fast alle Menschen handeln nach ihrem guten Gewissen (für IHR Land/Volk, Ihre RELIGION...).

Islamkritik gut und notwendig, aber bitte nicht unter falschen Prämissen.
3 replies · active 794 weeks ago
Entweder angeboren oder angelernt. Bitte entscheiden.

Am Ende heisst das Konzept Gewissen, dass der Mensch nach seinem Empfinden urteilen kann. Das ist im Islam gerade nicht der Fall. Der Mensch zählt nicht, nur das was Gott sagt (und ihm via Gelehrte verzapft wird) zählt.

Edit: Das ist der zentrale Unterschied zum Christentum wie auch zur griechischen Sicht, woher Paulus das auch übernahm - um den neuen Christen die alten jüdischen Regeln zu ersparen, insbesondere die Beschneidung.
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Jizzlobber · 794 weeks ago

Diese Theorie über das Gewissen ist von Bert Hellinger, sie hat sich durch reine Beobachtung entwickelt. Ich habe noch keine bessere Erklärung gehört. Angeboren oder erlernt kann ich nicht sicher sagen. Vermutungsweise hat sich diese psychische Funktion vor zehn bis 100tausend Jahren gebildet, weil das Bestehen der eigenen Gruppe für alle überlebenswichtig war.
Muslime haben wie Ungläubige ein gutes und schlechtes Gewissen, aber Muslime haben völlig andere Normen: Instanzen Koran - Mohammed - Vater - ältester Bruder usw. Der Atheist - was immer man als Atheist alles für richtig halten kann, hat andere Normen, Keuschheit z.b. gehört meist nicht dazu.
Die Gruppennormen sind völlig unterschiedlich, somit ist das schlechte Geswissen anders (und bei Muslimen vor allem: die Angst vor der Hölle!) . Natürlich wird kein Muslim mit dem Gewissen argumentieren, sondern mit Glaubensvorschriften, aber das, was die Energie liefert, ist das Gewissen, und dieses ist auf Gruppenbindung und -überleben ausgerichtet (im übrigen der einzige nachweisbare Nutzen von Religionen), nicht auf Ethik. Pierre Vogel hat bei dem was er tut ein gutes Gewissen, und der Apostat wird einige Zeit ein schlechtes Gewissen haben.
Deshalb sind Religionen erfolgreich, weil sie Gruppen eng zusammenhalten durch das Gewissen, nicht weil sie irgendwelche Wahrheiten besitzen.
Die Goldene Regel gibt es übrigens im Islam nicht.
(Sie ist dummerweise die Voraussetzung für Vertrauen und damit für Erfolg)

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Jizzlobber · 794 weeks ago

Ich nu wieder.

Natürlich kann man argumentieren, dass im Christentum das "Gewissen" (in meinen Augen aber, ohne dieses verstandenen zu haben, weil es eben nicht Moral-, sondern "Zugehörigkeitsthemometer" ist) als Zwischeninstanz zwischen dem Menschen und göttlichem Gesetz steht, und dies im Islam nicht so ist. (Dort gibt aber auch z.b. den Spruch im "Zwischen Gott und den Menschen hat niemand zu sein").

Ich denke nicht, dass wir uns nach der humaneren von mehreren Offenbarungsreligionen richten sollten, sondern nach humanistischen Gesichtspunkten, an eine evolutionäre Ethik, die wir immer weiter verfeinern werden. Christentum und Islam sind Menschenwerk, haben mit Gott (den ich bestreite) wenig zu tun, und gehören über kurz oder lang ins Ideenmuseum, wo sie auch landen werden, wie Alchemie und das Einhorn. Dass das nur eine Frage der Zeit ist, scheint mir unbestreitbar.
3 replies · active 794 weeks ago
Ich setze den Islam nicht dem Christentum entgegen. Dass Gewissen ein Zugehörigkeitsthermomenter sei, kann ich auch nicht nachvollziehen, so schön das tönt.

Der Mensch hat durchaus die Fähigkeit zwischen gut und schlecht zu unterscheiden, auch wenn er mal danebengreift und gutes meint aber schlechtes bewirkt.

Es gäbe keine Apostaten, wenn er nicht dazu fähig wäre.

Allerdings gibt das Gewissen (oder die Vernunft) Auskünfte, die man dann sachlich und mit Verstand überprüfen muss. Insofern kann ich mich Ihrem letzten Abschnitt anschliessen.
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Jizzlobber · 794 weeks ago

Wer die phänomenologische Theorie über das Gewissen ablehnt, it meist enttäuscht, das man ihm einen praktischen Wertmaßststab wegnimmt. Ich ärgere immer Pfarrer damit.
Es ist aber nicht möglich, zu erkläern (oder nur mit Ausflüchten wie "dann ist sein Gewissen nicht richtig ausgebildet..."), wieso das "gute Gewissen" so oft herhalten muss, wenn jemand einem anderen was antut. Sehr selten wird es erwähnt, wenn man großherzig ist, dann hat man zwar eines, eine Erwähnung des guten Gewissens wäre aber überflüssig.
Ich halte es für falsch, eine Theorie eines Zeitgenossen zu verwenden, wenn Paulus einfach das damalige griechische Verständnis verwendete. Auf Deutsch: Ein Anachronismus.
Meinetwegen kann ich ja den obigen Artikel umschreiben, damit ich nicht in Konflikt komme mit der (mir unbekannten) Theorie des Herrn.

Aber auch wenn man die Definition des Herrn anwendet: Gewissen ist unwichtig. Der Muslim hat für seine Entscheidungen per Definition kein Gewissen zu haben. Das hat nichts mti psychologischen Theorien zu tun, sondern mit dem Verständnis, das der Islam selber gibt: Es gilt nur die Regeln zu befolgen, Punkt. Fertig. Schluss. Amen.
Eigene Gedanken/Gefühle/Ideen/Überlegungen/Gewissen sind unwichtig.

Ich kann den Islam auch nicht ändern.
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Jizzlobber · 794 weeks ago

Danke für die Antwort. Ich wollte nur konstruktiv einbringen, was mir ein wichtiges Element zum Verstehen vieler Konflikte erschient, nämlich ein nachvollziehbares, überprüfbares Konzept zum Gewissen. Dies ist wohl eines der am mißverstandensten Begriffe. Sie haben angedeutet, dass es ein ethischer Kompass sei. Das kann es auch sein, jedoch nicht a priori, sondern nur wenn die persönlichen Maßstäbe passen, und man die Gruppe, für die man gewissenhaft sein will, groß genug (größer als Sippe und Glaubensgemeinschaft, eher Menschheit) wählt.

Ich habe letzthin Al Gazahlis "Erretter aus dem Irrtum" kurz angelesen. Er vertraut ja den Sinnen nicht, "sie können täuschen", was grundsätzlich richtig ist. Ich habe nicht den Durchblick, aber mir scheint, ein läppischer Fehler AlGazahlis war, den "Offenbarungen" Mohammeds dann im Widerspruch dazu zu vertrauen, der seine Halluzinationen wohl (auch) unter epileptischen Anfällen hatte. "Eines aber steht fest: Mohammed hat an Epilepsie gelitten. Sein erster Biograf Ibn Ishaq verknüpft dieses Leiden mit dem Prophetentum: Während eines Anfalls sei der Erzengel Gabriel erschienen und habe den Kranken gezwungen, die ihm gerade übermittelten Worte zu rezitieren." http://de.timeturk.com/Wie-Mohammed-den-Islam-erf...

Das Gewissen ist deshalb wichtig: nur wer die Größe hat, z.B religiöse Gewissensbisse zu ignorieren, und den Islam zu verlassen -oder große Teile der Lehre zu ignorieren (was wohl die allermeisten tun, und sich dabei aber selber über ihre Religion anlügen)- ist ein Teil der Lösung des Problems. Ein andere Lösung wäre eine Reform der Theologie. Was religiöse Fanatiker antreibt, IST ihr gutes Gewissen, weil Sie "das Rechte gebieten und das Verwerfliche verbieten", und das schlechte Gewissen, wenn sie es nicht täten.

Ich danke nochmals für die angeregte Diskussion.
5 replies · active 794 weeks ago
Der läppische Fehler Al-Ghazalis, den Sie nennen, ist die Basis des Islams. (Wenn Sie frz lesen, empfehle ich Rémi Brague, Au moyen du Moyen Âge, und dort das Kapitel über die Philosophen und den Jihad.
Ich sehe den inneren Kompass/ das Gewissen eher umgekehrt als Sie es hier bringen: Der Neonazi, der sich in eine Jüdin verliebt, hat eine Diskrepanz, und die geht er nur an, wenn er einen inneren Kompass hat. Wenn er sein Gehirn an der Garderobe abgegeben hat, dann kann er das parallel leben.
Die Analyse muss natürlich dann mit dem Verstand gemacht werden.
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Jizzlobber · 794 weeks ago

Hallo.
Wir müssen uns in dem Punkt ja nicht einig werden.
Mein Französisch ist nicht ausreichend um entspannt Bücher zu lesen, ich habe "Weisheit der Welt" und "Normativität des Wirklichen" (Mitarbeit) in der hiesigen Bibliothek gefunden, beide interessanterweise derzeit verliehen...

http://www.zshare.net/download/710613298215a568/
hier die Audio Cd "Die Grenzen des Gewissens".
mfG
Das Gewissen ist als Wissensinstrument etwa so gut (und eben mangelhaft) wie die Vernunft: Die Eingaben müssen genauso wie Religonsaussagen erst mal überprüft werden, mit Verstand, im Diskurs. Da kommen die Islamvertreter dann in die Klemme.
Ein Muslim muss im Prinzip eine rote Fläche als grün bezeichnen, wenn der Imam das als Vertreter des Propheten als grün bezeichnet. Das geht, solange der Imam die Macht hat. Wie in 1984.
Jizzlobber's avatar

Jizzlobber · 794 weeks ago

_deshalb_ hat es bei dem Namen Brague geklingelt:
„Das islamische Volk ist das belogenste“
http://diepresse.com/home/kultur/news/378506/inde...
Zu empfehlen (weil dort die Islamsache auch vorkommt) ist das Folgebuch zu Weisheit der Welt: The Law of God (La loi de dieu). Auf Deutsch wohl noch nicht da.

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