Mittwoch, 23. Juni 2010

Europaratsparlamentarier gegen Burkaverbote

Der Kulturausschuss des Europaparlaments ist gegen Burka-Verbote. Es geht ihnen darum, "die Teilhabe muslimischer Frauen am öffentlichen Leben zu fördern".

Dazu habe ich bloss eine Frage einzige: Wie nimmt man mit Burka am öffentlichen Leben teil?



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Der Artikel aus der NZZ vom 23.6.2010, Seite 6:
Europaratsparlamentarier gegen Burkaverbote
Aufforderung eines Ausschusses an die Schweiz, das Minarettverbot aufzuheben
Der Kulturausschuss des Europarats hat sich gegen die Verbote von Burkas in Frankreich und Belgien ausgesprochen. Auch das Minarettverbot in der Schweiz wird kritisiert.

Karl-Otto Sattler, Strassburg

Der Kulturausschuss des Europarats geht zunehmend auf Konfliktkurs gegenüber jenen Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder Belgien, die muslimischen Frauen das Tragen der Burka in der Öffentlichkeit untersagen wollen. Nachdem sich bereits der Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg, ein schwedischer Sozialdemokrat, und der türkische Konservative Mevlüt Cavusoglu als Präsident der Parlamentarischen Versammlung gegen solche Verbote ausgesprochen haben, wendet sich jetzt auch der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses gegen diese Pläne, die er als Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte wie die Religions- und Kleidungsfreiheit empfindet.

Ausgrenzung der Frauen?
In einer vom dänischen Sozialdemokraten Mogens Jensen im Namen dieser Kommission präsentierten Resolution über den Islam in Europa heisst es, die Menschenrechtscharta des Europarats garantiere das Recht des Einzelnen, sich frei für oder gegen das Tragen religiöser Kleidung im Privatleben wie in der Öffentlichkeit zu entscheiden. Gesetzliche Einschränkungen dieser Regel seien nur aus besonderen Gründen zu rechtfertigen, etwa aus Sicherheitserwägungen oder wegen der Notwendigkeit, aus beruflichen Gründen ein unverhülltes Antlitz zu haben.

Die Expertise der Kulturkommission betont, dass ein generelles Burkaverbot die Frauen ihres Rechts berauben würde, ihr Gesicht zu verschleiern, wenn sie dies aus freier Entscheidung wünschten. In der Resolution, über die am Mittwoch das Parlamentsplenum debattieren soll, wird zudem befürchtet, dass muslimische Frauen wegen eines Burkaverbots zu Hause bleiben oder sich auf Kontakte zu anderen Frauen beschränken könnten. Eine gesellschaftliche Ausgrenzung werde verstärkt, wenn solche Frauen zur Wahrung ihrer Traditionen Bildungseinrichtungen verlassen, von öffentlichen Plätzen fernbleiben oder eine Arbeit ausserhalb ihrer Gemeinde aufgeben würden.

Die Abgeordneten rufen die Regierungen der 47 Mitgliedsnationen auf, die Teilhabe muslimischer Frauen am öffentlichen Leben zu fördern und ihnen mehr Chancen im Berufsleben zu eröffnen. Freilich ist zu bezweifeln, dass sich Frankreich und Belgien von einem Veto des Europarats gegen das Verbot von Burkas beeindrucken liessen. Chancen könnten sich jedoch muslimische Frauen aus diesen beiden Ländern ausrechnen, die vor dem Menschenrechtsgerichtshof gegen ein ihnen vom Staat auferlegtes Burkaverbot klagen würden.

Minarette wie Kirchtürme
Die Kulturkommission appelliert zudem an das Ministerkomitee des Staatenbunds als Kollegium der 47 Aussenminister, die Schweiz aufzufordern, das dortige Verbot des Baus von Minaretten auszusetzen und schnellstmöglich aufzuheben. Dies stelle einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf die in der Menschenrechtscharta verankerte Religionsfreiheit dar, heisst es. Die Errichtung von Minaretten, so die Parlamentarier, müsse ebenso erlaubt sein wie der Bau von Kirchtürmen und dürfe nur den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit und der Städteplanung unterworfen werden. Das Verbot von Minaretten wurde in der Schweiz durch eine Volksabstimmung beschlossen. Der Europarats-Generalsekretär Jagland betont indes, dass eine Mehrheit nicht das Recht habe, die Grundrechte der Minderheit zu verletzen.
 

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