Samstag, 6. März 2010

Die Erfindung Gottes

Es gab eine Zeit, als ohne Ordnung der Menschen Leben war, nach Art der Tiere und im Dienst der Stärke stand, als es weder einen Preis für Gute noch Strafe andererseits für Schlechte gab.

Da scheinen mir die Menschen strafende Gesetze erlassen zu haben, damit das Recht die Herrschaft habe in gleicher Weise über alle,  den Frevelmut sich unterwerfe. Bestraft aber wurde, wer immer sich verging. 

Indes, da die Gesetze sie daran hinderten, offen Gewalttaten zu begehen, sie sie aber heimlich taten, scheint mir da zunächst ein kluger und ein weiser Mann die Furcht vor Göttern für die Menschen erfunden zu haben, damit Furcht es gäbe für die Schlechten, auch wenn sie heimlich 

handelten oder redeten oder dächten. Deshalb nun führte er die Gottheit ein, dass es einen Gott gibt in unvergänglichem Leben prangend, mit dem Geiste hörend, sehend und über alle Maßen denkend, der dies beachtet und ein göttliches Wesen an sich trägt, 

der alles, was unter Menschen gesagt wird, hören und alles, was getan wird, sehen kann. Und denkst du schweigend dir was Schlechtes aus, so wird es nicht den Göttern verborgen bleiben. Denn das Denken eignet ihnen im Übermaß. Mit diesen Worten 

führte er die verführendste Rede ein, indem er mit einem Lügenwort die Wahrheit verhüllte. Es wohnten, sagte er, die Götter da, wo er die Menschen am meisten schrecken musste, woher, wie er erkannte, die Furcht den Menschen stammte, 

und die Segnungen für das leidgeprüfte Leben, vom Himmelsgewölbe oben wo, wie er sah, die Blitze sind und die schrecklichen Donnerschläge und der gestirnte Himmelsbau, des weisen Baumeisters Chronos schön bestickte Werk.

von wo der glühende Ball der Sonne zieht und der feuchte Regen auf die Erde ausgeht. Solche Ängste stellte dieser um die Menschen, deretwegen er in seiner Rede geschickt die Gottheit ansiedelte und an geziemendem Ort 

und so den Gesetzen die Gesetzlosigkeit auslöschte. Und kurz darauf fügt er hinzu:  So hat, wie ich glaube, zum ersten Mal einer die Sterblichen überredet zu glauben, dass es ein Geschlecht der Götter gibt.

Kritias, griechischer Philosoph, 460-403 vor Christus.

(kopiert von da, wo auch der griechische Text aufgeführt ist)
 

kostenloser Counter